„Der Einzige, der Mails schreiben kann“ – Schlachterverband wählt 6-jährigen zum Vorsitzenden

Unterbräunershofen – Unsicher steht Fin-Luca Sonntag im Stall und hält das Bolzenschussgerät in beiden Händen. Nicht nur das Gewicht ist für den 6-jährigen ein Problem, auch die beiden großen Kuhaugen scheinen den Schüler zu irritieren. Doch als zukünftiger Vorstand des Unterbräunershofener Schlachterverbandes trägt er natürlich auch eine fachliche Verantwortung, muss die Handgriffe des Handwerks kennen, das er auf Bezirkstagen vertreten soll. Sonntags Großvater steht neben ihm und zeigt auf eine Stelle dicht unterhalb der Hörner. Der junge Mann drückt die Mündung des Gerätes gegen die Stirn der Kuh Luisa. Die versucht das kalte Metall mit den Augen zu erfassen. Ihr Muhen klingt jetzt ein wenig fragend.

Die Nachwuchssorgen im Schlachterhandwerk sind gravierend. Schon seit Jahren finden die Firmen kein frisches Personal mehr, müssen das alte, angegraute mit allerlei Tricks herrichten. Trotzdem müffelt die Personalnot aus jeder Faser. Auch Sonntags Großvater kann sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal jemanden eingestellt hat. „Das muss Anfang der 2000er gewesen sein. 2005 vielleicht“. Nicht nur die alltägliche Arbeit leide unter dem Personalmangel, auch organisatorisches, wie die Verbandsarbeit. „Inzwischen geht ja alles nur noch über dieses Internet, E-Mails und WhatsApp. Von uns kennt sich da keiner mehr aus. Der Sohn und die Schwiegertochter arbeiten den ganzen Tag in der Stadt. Was blieb uns also übrig?“, klagt Sonntag.

Natürlich kämen jetzt wieder die ganz Schlauen mit ihrem pädagogischen Firlefanz. „Fleisch essen wollen sie alle, aber Fleischer werden halt nicht, was sollen wir machen?“ Außerdem sei ein 6-jähriger in dem Bereich auch nichts Ungewöhnliches, früher sei das ganz normal gewesen. Wenn jetzt „NPDler“ wieder in öffentliche Ämter gewählt werden können, könne man auch beim Thema Kinderschutz ein paar freiheitlich demokratische Augen zudrücken.

Luisa hat indes andere Sorgen. Ihrem potenziellen Schlachter ist das Bolzenschussgerät aus den Händen gerutscht. Großvater Sonntag klopft ihm auf die Schulter und übernimmt. Es muss ja weitergehen.

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