SeatnB – Berliner Startup vermietet ungenutzte Stuhlflächen im Parlament

Berlin – Nicht nur Wohnungen werden in den Großstädten knapp. Dank des fortwährenden Zuzugs in die Metropolen sind in Städten wie Berlin inzwischen längst auch öffentliche Sitzplätze rar geworden. Verbliebene Sitzgelegenheiten sind dann oft ganztägig von Rentnern, Jugendlichen oder Angestellten des öffentlichen Dienstes besetzt. Das Berliner Startup „SeatnB“ hat jetzt ein Geschäftsmodell entwickelt, mit Hilfe dessen man der Berliner Sitzplatznot Herr werden will.
Gülan Heinman, von SeatnB: „Zu Beginn war da nur die Idee, nicht benötigte Sitzplätze in Berlin unterzuvermieten. Leider war die Umsetzung alles andere als einfach. Zum einen gab es kaum ungenutzte Sitzflächen, zum anderen wollte von den Sitzenden keiner aufstehen, auch nicht ganz kurz.“
Die Wende in der kurzen Geschichte des Unternehmens kam per Zufall und in Form einer Live-Übertragung aus dem Parlament.

Eine Bank mit zwei Gummistiefeln als Bein
Der Sitz von Landwirtschaftsminister Schmidt (CSU) ist einer der seltener gebuchten

„Der Fernseher lief so im Hintergrund – was soll ich sagen? Wir hatten die Lösung direkt vor uns. Von 630 Abgeordneten waren 47 anwesend, wir haben das nachgezählt, 583 freie Plätze, mitten in Berlin! Zuerst gingen wir natürlich von einem Zufall aus, verstopften Zufahrtswegen oder ähnlichem und tatsächlich war an jenem Tag gerade der ‘Lange-Schaschlik-Freitag’ in der Kantine des Reichstages – aber an anderen Tagen war ja auch immer was. Mal die Vorstandssitzung von VW, einmal ein Fußballspiel, manchmal auch einfach schlechtes Wetter. Egal, wann wir Debatten angeschaut haben – immer gab es eine Menge freier Plätze. Von da an ging dann alles sehr schnell, auch die Fraktionen waren uns behilflich.“
Das Geschäftsmodell von SeatnB ist denkbar einfach. Ein Parlamentarier bietet auf der Webseite seinen Sitz für eine Stunde, einen Tag oder auch mal eine Woche an. Ein sich-setzen-wollender Kunde nimmt das Angebot an, bezahlt und bekommt dann die Bestätigung für die erfolgreiche Buchung.

Inzwischen sitzt ein Abgeordneter von der CSU schon mal neben einem libanesischen Familienclan – das bringt eine praktische Stimmung in die Debatte

Heinman: „Wir und die Fraktion erhalten jeweils eine Provision, der Rest geht direkt an den vermietenden Parlamentarier. Das System hat nur Vorteile, sogar die Einschaltquoten für Parlamentsdebatten gehen nach oben. Die Leute finden ein volles Haus einfach interessanter und außerdem kann man jetzt als Zuschauer die Personen besser unterscheiden. Früher waren alle ziemlich gleich angezogen. Jetzt sitzt ein Abgeordneter von der CSU auch schon mal neben einem Obdachlosen oder einem libanesischen Familienclan – das bringt eine ganz andere, viel praktischere Stimmung in die Debatte. Politik wird so wieder menschlicher und wir glauben auch: greifbarer.“

 


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